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1992 - 2024
32 Jahre entwicklungspolitische Arbeit

 

Vor Lugos Amtseinführung: Posttraumatische Symptome....
von Hermann Schmitz † 30.03.2019
06.08.08     A+ | a-
Juan Manuel Morales, Präsident des Obersten Wahlgerichts Paraguays und wichtiger Repräsentant der noch (bis zum 15. 08. 08) herrschenden Coloradopartei, weiß am allerbesten, wie in seinem Land Justiz und Politik „zusammen arbeiten“  - nämlich so,  dass Recht und Gesetz auf der Strecke bleiben, von Gerechtigkeit ganz zu schweigen.

So muss es Señor Morales auch nicht schwer gefallen sein, für den Menschenrechtsaktivisten Dr. Martín Almada, Folteropfer der Stroessnerdiktatur und seit 1993 alternativer Nobelpreisträger, eine „nervenärztliche Untersuchung“ zu beantragen  -   eine wohl kalkulierte Schikane und Demütigung, die der 70jährige Almada jetzt erdulden sollte.

Morales war während der Stroessnerdiktatur ein Spitzel, der  - auch im Rahmen der „Operation Condor“, jenem Pakt der Geheimdienste von Brasilien, Argentinien, Chile, Uruguay, Bolivien und Paraguay  -  Listen „verdächtiger und subversiver“ Personen erstellte, welche für die Betroffenen oft Misshandlungen in den Folterkellern bedeuteten.
Für eine solche Beteiligung an massiven Menschenrechtsverletzungen wurde Morales niemals zur Rechenschaft gezogen, geschweige denn an Italien ausgeliefert, dessen Justiz zielstrebig Namen der an der „Operation Condor“ Beteiligten sucht.

Auch für Dr. Martín Almada hatten die Denunziationen von Morales schlimme Folgen bis hin zu entsetzlichen Qualen.

Eine subtile Art von Folter erlebte Almada nun, fast 35 Jahre später: Nicht nur hatte er zusehen müssen, dass Morales von seinen Coloradofreunden in das bedeutende öffentliche Amt eines Präsidenten des Obersten Wahlgerichts Paraguays gehievt wurde.

Das Opfer begegnete auch hin und wieder  - durchaus unfreiwillig  -  dem Täter. Einmal, auf irgendeinem Gang im „Palacio de Justicia“, platzte Almada der Kragen, und er schleuderte in einem allzu verständlichen Zornesausbruch Morales dessen Untaten entgegen.

Der „Beleidigte“ verklagte ihn daraufhin wegen übler Nachrede und Verleumdung, und nur mit ärztlichen Attesten konnte Almada bislang der Verhandlung vor der Coloradojustiz entgehen.

Der paraguayische Menschenrechtsaktivist, selber Anwalt und Mitglied im Exekutivkomitee der „Vereinigung amerikanischer Juristen“, sollte sich also auf Antrag Morales´ der erwähnten Untersuchung in der Neuropsychatrischen Klinik von Asunción unterziehen.

In einer Öffentlichen Anhörung wurde er zunächst in einer Art „Voruntersuchung“ befragt, er nutzte diesen Rahmen aber, geistig wach und blitzgescheit wie immer, zu einer Abrechnung mit dem ehemaligen Stroessnerspitzel:

„Wenn ich den  Dr. Juan Manuel Morales anschauen muss, erblicke ich das schreckliche Gesicht von Alfredo Stroessner, und ich fühle mich erneut gefoltert und zum Opfer gemacht. Seine Gegenwart verursacht mir extremes psychisches Unbehagen, Zorn und Wut wegen der Straflosigkeit in unserem Land. Die sorgt dafür, dass Leute wie Morales, welche unschuldige Bürger an den blutigen Repressionsapparat des Diktators ausgeliefert haben, hier auftreten könne, anstatt im „Tacumbu“ – Gefängnis zu sitzen.“

Almada schilderte grausame Einzelheiten aus den 30 Tagen Diktator Alfredo Stroessner erlittener Folter, ebenso erwähnte er den Tod seiner Frau, die seine Schmerzensschreie am Telefon mithören und seine blutige Kleidung in Empfang nehmen musste. Sie war daraufhin an einem Infarkt verstorben.

Am Ende der Sitzung teilte der Gerichtspsychiater Dr. Carlos Sachero mit, dass Dr. Martín Almada sich „in Zeit und Raum zurecht findet und keine Persönlichkeitsstörung zeigt ...... Er leidet an einem starken psychologischen Unwohlsein aufgrund eines posttraumatischen Stress-Syndroms gemäß der Klassifizierung der WHO.“

Morales und seine Leute hatten offensichtlich keinen Colorado – Psychiater auftreiben können ....

Ihren nächsten Schritt gegen den unliebsamen Kämpfer für die Menschenrechte und gegen die Straflosigkeit bereiten sie aber ganz sicher schon vor......

Eine der Herausforderungen der neuen Regierung Paraguays unter Fernando Lugo wird es sein, die Straftäter der Stroessnerzeit aus Justiz und Verwaltung zu verbannen. Das kennen wir ja auch hierzulande und wissen, wie lange das dauern kann.

Noch unverfrorener kommt zur Zeit ein anderer Fall daher:
Die altehrwürdige „Universidad Católica Nuestra Señora de la Asunción“ (UC) braucht einen neuen Rektor, und da ist auch schon einer ernannt worden: José Antonio Moreno Rufinelli. Von diesem Manne weiß jeder, der es wissen will, dass er, wie Morales, ebenfalls ein Komplize der Menschenrechtsverletzungen während der Stroessnerdiktatur war! Jedenfalls wussten es die kritischen unter den Studenten der UC, sie organisierten scharfen Protest gegen die Ernennung und verbanden damit ihre Ablehnung eines antiquierten, undemokratischen Universitätsmodells, das ihnen aufgezwungen wird. Ihre friedlichen Protestmaßnahmen wurden im Morgengrauen des 1. Juli von Sicherheitskräften der UC gewaltsam niedergeschlagen.

Das angesehene „Centro de Documentación y Estudios“ (CDE) schreibt dazu:
„Die Ernennung von Rufinelli zum Rektor dieser bedeutenden Lehranstalt für die Jugend des Landes bedeutet einen erheblichen Rückschritt in dem schwierigen demokratischen Aufbauprozess und ist ein fatales Beispiel für soziale und politische Straflosigkeit. Die wird ausgerechnet denjenigen gewährt, die in antidemokratischer und totalitärer Weise die Menschenrechte ihrer Landsleute verletzt haben.... Die gewalttätige Repression des studentischen Protestes erinnert an die schlimmen Zeiten der Diktatur.“ Auch Almada hatte die Gelegenheit der Befragung zu seinem psychischen und Geisteszustand genutzt -  „räumlich und zeitlich“ durchaus bewandert und geistesgegenwärtig -  um neben Morales auch Rufinelli zu erwähnen und beide als Autoren des damaligen Gesetzes 209 zu benennen und vor dem parlamentarischen Gremium zu entlarven
Dieses Gesetz war, im Rahmen der „Operation Condor“, Grundlage für Verfolgung, Folter und Tod Tausender von Paraguayern gewesen.

Aus dem von Almada seinerzeit geborgenen „Archiv des Terrors“ konnte dieser das Sitzungsprotokoll der Abgeordnetenkammer vom 13. August 1970 vorlegen.

Da ist es geradezu beklemmend, dass die paraguayische Bischofskonferenz sich auf die Seite Rufinellis stellt und seine Ernennung unterstützt.

Man könnte zynisch werden und denken: Kein Wunder, schließlich hat ja mit Ex-Bischof Fernando Lugo der letzte progressive Vertreter die Bischofskonferenz verlassen .....

Ebenso irritierend, dass diese beiden Vorfälle, die an finstere Stroessnerzeiten erinnern, knapp sechs Wochen vor Lugos Amtsantritt als erstem wirklich legitimen Präsidenten des Landes passieren.

P.S.  Unterdessen geht die Regierungsbildung durch Fernando Lugo, den „presidente electo“ (den gewählten Präsident, wie es in Paraguay immer heißt) in die letzte Phase. Lugo lässt sich Zeit, erfreut diesen, enttäuscht jenen  -  wer gedacht hat, das ginge alles glatt ab, erlebt nun in der Tat die ersten Turbulenzen, noch bevor auch nur eine Stunde offiziell regiert wurde. Die „Alianza Patriótica para el Cambio“ muss erst jetzt ihre patriotischen Verantwortung beweisen!

Es ist alles recht unübersichtlich, und wir werden zu Personen, Ämtern und der allgemeinen politischen Entwicklung ab 15. August von Paraguay aus berichten.

Nur eine Personalie sei erwähnt: Sixto Pereira, unser langjähriger Projektpartner vom „Centro de Capacitación de Desarrollo Agrícola“ (Ländliches Ausbildungszentrum) ist inzwischen als Stellvertretender Vorsitzender des Senats vereidigt worden  - wer hätte das gedacht!

Es stimmt hoffnungsvoll, Leute wie Sixto in diesem Amt zu wissen. Vielleicht wird mit ihm und anderen aus dieser paraguayischen Volksvertretung einmal eine Einrichtung, die ihrem Namen und Anspruch ein Stück näher kommt!

(Wir hätten Sixto bei seiner Vereidigung gern zugeschaut, mit Anzug konnten wir ihn uns nämlich keinesfalls vorstellen. Vielleicht hat er es ja so gemacht, wie wir vor Jahren in Anspielung auf Joschka Fischers ersten Auftritt im Bundestag gesponnen hatten: Sixto, jetzt Senats-Vize, in Turnschuhen ....)

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